Maßstäbe verschoben, Problem behoben? BUND kritisiert von K+S beabsichtigte Absenkung von Umweltstandards
Pressemitteilung BUND Niedersachsen - 18.5.2021
Die laufende Klage des BUND Niedersachsen gegen die Wiederaufnahme der Kalidüngerproduktion in Giesen bei Hildesheim legt Versuche der Kasseler K+S AG offen, Umweltstandards für die Belastung von Gewässern abzusenken. Der Agrarkonzern will damit erleichtern, wasserrechtliche Erlaubnisse zur Einleitung salzhaltiger Abwässer zu erhalten. Einer möglichen Aufweichung von Umweltstandards beim Gewässerschutz stellt sich der BUND entschieden entgegen.
„Mit der von K+S angewandten Methode zur Beurteilung und Prognose des Gewässerzustands versucht der Agrarkonzern, geltende gesetzliche Maßstäbe zu verschieben“, kritisiert Susanne Gerstner, BUND-Landesgeschäftsführerin. „Eine Absenkung von Umweltstandards wäre nicht nur für die Innerste und die Leine, sondern für alle von Salzeinleitungen betroffenen Flüsse in Deutschland fatal. Wir bezweifeln, dass das Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie und des deutschen Wasserrechts – ein guter ökologischer Zustand unserer Gewässer – noch erreicht werden kann, wenn sich diese Vorgehensweise durchsetzt.“
Ein guter ökologischer Zustand ist dann erreicht, wenn Artenvielfalt und Individuenzahlen von Tieren und Pflanzen im Gewässer dem natürlichen Zustand nahekommen. Eine Einleitung von Salzabwässern gefährdet dieses Ziel. Die Chlorid-Konzentration eines Fließgewässers darf laut Oberflächengewässerverordnung (OGewV) im Jahresmittel den Wert von 200 mg/l nicht überschreiten. Die vom BUND beklagte wasserrechtliche Erlaubnis an der Innerste lässt eine Konzentration von bis zu 300 mg/l zu, was laut BUND korrigiert werden muss.
Besonders problematisch ist, dass K+S darauf abzielt, eine neue Methode zur Beurteilung des Gewässerzustands anstelle der Prognose mithilfe der Schwellenwerte der Oberflächengewässerverordnung zu etablieren. Diese geht davon aus, dass Salzeinleitungen in ein Gewässer erst dann zu einer Verschlechterung des Zustands führen, wenn bestimmte Arten der charakteristischen Wirbellosenfauna absterben, weil ihre jeweilige Salztoleranzschwelle überschritten wurden. Eine solche Bewertung lehnt der BUND ab. „Bereits geringe Salzbelastungen unterhalb der tödlichen Schwelle beeinträchtigen die Lebenstüchtigkeit und die Populationsstärke vieler Arten wie Insektenlarven, Flohkrebse oder Muscheln. Das Artenspektrum verändert sich und ein guter ökologischer Zustand ist nicht mehr gegeben“, erklärt Matthias Köhler, BUND-Gewässerexperte.
Mit diesem Ansatz torpediert K+S den dringend notwendigen Gewässerschutz. Laut BUND widerspricht er dem im Wasserhaushaltsgesetz verankerten Vorsorgegrundsatz. Wer geltende gesetzliche Maßstäbe durch fragwürdige Prognosemethoden umgeht, setzt die Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie und den Schutz unserer Flüsse und Bäche aufs Spiel.
Hintergrund:
Der BUND Niedersachsen hat im Dezember 2019 Klage gegen die wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung salzhaltiger Abwässer von der Giesener Althalde sowie der neu aufzuschüttenden Halde für die künftigen Produktionsrückstände in die Innerste eingereicht. Mit der Klage will der BUND verhindern, dass sich der ökologische Zustand der Innerste weiter verschlechtert. In Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie hat sich Deutschland verpflichtet, für alle Fließgewässer bis spätestens 2027 mindestens einen guten ökologischen Zustand zu erreichen.
Die Schwellenwerte der Oberflächengewässerverordnung beruhen auf Studien im Auftrag der Bund / Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), in denen ein gesicherter statistischer Zusammenhang zwischen Gewässerbelastungen durch Salze oder Nährstoffeinträge und dem ökologischen Zustand hergestellt werden konnte. Da die Bäche und Flüsse mehrheitlich von Natur aus geringe Chlorid-Konzentrationen weit unterhalb von 100 mg/l aufweisen und das Leben im Wasser an diese salzarmen Verhältnisse angepasst ist, erlauben die Studien die Prognose, dass eine mittlere jährliche Chlorid-Konzentration von über 200 mg/l einen guten ökologischen Zustand des Gewässers ausschließt. Da bei einer Einleitungserlaubnis die Salzkonzentration im Gewässer mit relativ großer Sicherheit gut prognostiziert werden kann, erlauben die Schwellenwerte somit eine Vorhersage, ob der gute ökologische Zustand bei diesen Salzkonzentrationen noch erreicht werden kann oder nicht.
Weitere Informationen:
www.bund-niedersachsen.de/gewaesser
Kontakt:
Susanne Gerstner, Geschäftsführerin, BUND Landesverband Niedersachsen, Tel. (0175) 565 08 52, susanne.gerstner(at)nds.bund.net
Matthias Köhler, BUND-Gewässerexperte und Vorsitzender BUND Hildesheim, Tel. (05121) 157 274, matthias.koehler(at)bund.net
BUND-Pressestelle:
Dr. Tonja Mannstedt, Tel. (0511) 965 69-31,Mobil (0171) 359 8676, presse(at)nds.bund.net, www.bund-niedersachsen.de
Konflikt beim Gewässerschutz
BUND will die Versalzung von Innerste und Grundwasser stoppen und klagt deshalb gegen die Wiederinbetriebnahme des Kalibergwerks Siegfried Giesen
Durch die Wiederaufnahme des Bergbaus und der Düngemittelproduktion in Siegfried Giesen entstehen vermeidbare neue Umweltbelastungen, während vorhandene bestehen bleiben.
Kalihalden belasten Wasser und Böden
Kalihalden wie die in Giesen sind Salzberge. Regen löst sie auf. Die dabei entstehende Salzlauge wird zum Teil aufgefangen und in die Innerste eingeleitet. Ein großer Teil versickert jedoch im Boden und verunreinigt das Grundwasser. Dafür gibt es keine Erlaubnis. Es hat sich ein 2 km langer Salzwasserstrom im Untergrund gebildet, der bereits die Innerste erreicht hat.
Nun soll eine zweite, sehr viel größere Salzhalde aufgeschüttet werden. Fruchtbarer Boden wird versiegelt und Lebensraum vernichtet. Die neue Halde verfügt über eine Basisabdichtung und soll abgedeckt werden, die Althalde jedoch nicht. Vor allem in den ersten Betriebsjahren wird deutlich mehr Salzwasser in die Innerste eingeleitet als heute und als beantragt. Hinzu kommt künftig das Salz aus dem Grundwasser.
Salzeinleitungen verschlechtern den ökologischen Zustand der Innerste
Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2027 in allen Fließgewässern einen guten ökologischen Zustand bzw. ein gutes ökologisches Potential zu erreichen. Artenvielfalt und Individuenzahlen von Tieren und Pflanzen im Gewässer sollen dem natürlichen Zustand nahekommen. Die Einleitung von Salzabwässern gefährdet dieses Ziel, denn die Genehmigung stellt nicht sicher, dass der mit dem guten ökologischen Zustand gerade noch vereinbare Schwellenwert der Oberflächenverordnung für die Salzkonzentration im Gewässer eingehalten wird. Außerdem beeinträchtigen die Salzeinleitungen den Erhaltungszustand salzempfindlicher, von der Flora Fauna Habitat Richtlinie geschützter Lebensräume und Arten.
Kalibergbau ohne Halden
Nach Ende des Bergbaus müssen keine Halden zurückbleiben. Die Rückstände können wieder in den Salzstock zurückgebracht oder verwertet werden.
Die Abdeckung von Kalihalden ist eine Scheinlösung! Regenwasser dringt weiter bis zum Salz hindurch und löst es langsam auf. Eine Basisabdichtung lässt sich nicht nachträglich installieren, also sickert weiter Salzwasser in den Untergrund. Die Halden müssen über Jahrhunderte überwacht und instandgehalten werden, bis sie endgültig „weggeregnet“ sind.
Behörden und die K+S AG stehen nicht zu ihrer Verantwortung für das Grundwasser und die Althalde, sondern grenzen dies Problem aus dem Verfahren aus.
Emissionen und Lärm belasten die Anwohner
Die Abluft aus dem Schacht wird ungefiltert ausgeblasen und die Züge der Werksbahn verlärmen Wohngebiete. Bewohner - insbesondere von Giesen und Ahrbergen - werden zusätzlichen Belastungen ausgesetzt.
Der BUND fordert:
Die Lebensgrundlagen Wasser und Boden müssen für die nächsten Generationen erhalten bleiben. Unser Wasser darf nicht zusätzlich, vermeidbar und dauerhaft durch Salze unbrauchbar gemacht werden. Auch unser fruchtbarer Bördeboden darf nicht auf ewig unter Salzbergen verschwinden.
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Begrenzung der Salzeinleitung in die Innerste auf ein Maß, das auch für salzempfindliche Arten verträglich ist,
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Kein Verbleib von Halden als Ewigkeitslasten,
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Verringerung der Schadstoff- und Schallemissionen.
Stopp der Grundwasserkontamination durch die Althalde,
Dies können wir nur noch vor Gericht erreichen. Wir wenden uns dabei nicht gegen die Kaliproduktion an sich, sondern wollen, dass sie umweltfreundlich geschieht.
Der BUND Landesverband Niedersachsen hat Klage sowohl gegen den Planfeststellungsbeschluss als auch gegen die Erlaubnis zur Einleitung salzhaltiger Abwässer in die Innerste erhoben. Die BUND Kreisgruppe Hildesheim und die Bürgerinitiative GiesenSchacht unterstützen diese zweifache Klage inhaltlich und finanziell.
Bitte helfen Sie uns dabei durch ihre Spende an:
BUND Landesverband Niedersachsen Kreisgruppe Hildesheim,
IBAN: DE86 2595 0130 0050 7221 89 bei der Sparkasse Hildesheim Goslar Peine.
Verwendungszweck: Spende SALZ
Fragen und Antworten zur Wiederinbetriebnahme des Kalibergwerks Siegfried Giesen
Was ist geplant?
Die K+S AG beabsichtigt, den Salzbergbau und die Düngemittelproduktion in dem seit 1987 ruhenden Bergwerk in Giesen wieder aufzunehmen.
Die dazu erforderliche Genehmigung in Form eines Planfeststellungsbeschlusses wurde Ende Januar 2019 durch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) erteilt. Dieser beinhaltet auch die wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von salzhaltigen Abwässern in die Innerste.
Am bisherigen Standort wird ein neues Werk entstehen. Die Schächte in Giesen, Ahrbergen, Barnten und Sarstedt werden wieder in Betrieb genommen. Die Grubenbahn vom Werk durch Ahrbergen zum Anschluss an die DB Strecke bei Harsum wird auf der alten Trasse neu gebaut.
In der geplanten Betriebszeit von 40 Jahren sollen 108 Mio. Tonnen Rohsalze gefördert und daraus 42 Mio. Tonnen Dünger hergestellt werden. Da nur 39 % der geförderten Rohsalze zu Produkten verarbeitet werden, fallen enorme Mengen an Rückständen an, die zu 62 % in das Bergwerk zurückgebracht und zu 38 % auf eine neue Halde geschüttet werden sollen. Diese Halde wird mit ca. 50 ha Grundfläche und einem Gewicht von 26 Millionen Tonnen dreimal größer werden als die Giesener Althalde. Die Neuhalde soll sukzessive mit der Aufschüttung abgedeckt und begrünt werden.
Woraus bestehen Kalihalden?
Kalihalden sind nichts anderes als Salzberge, die zum allergrößten Teil aus Natriumchlorid (Kochsalz) bestehen. Daneben enthalten sie nennenswerte Reste der für die Düngerproduktion benötigten, durch das Trennverfahren aber nicht herausgelösten Kalium- und Magnesiumsalze.
Warum sind Kalihalden umweltschädlich?
Salz ist bekanntlich gut wasserlöslich. Regen löst daher die Halden nach und nach auf. Ein Liter (Regen)Wasser kann mehr als 300 g Salz aufnehmen und wird so zu Salzlauge. Bereits bei einer Salzfracht von 250 mg/l, also weniger als einem Tausendstel dieser Menge, werden die Grenzwerte für Trinkwasser und sauberes Grundwasser überschritten. Ein Teil der Salzlauge wird gesammelt und in die Innerste eingeleitet. Abertausende Tonnen Salz versickern auch jedes Jahr im Boden, weil die Althalde, wie die übrigen Kali-Althalden in Niedersachsen auch, keine Basisabdichtung hat und der sie umgebende Ringgraben die herabfließende Salzlauge nicht vollständig auffängt. Das Grundwasser unter der Halde ist deshalb seit langem völlig versalzen. Die Grenzwerte werden hier um ein Vielfaches überschritten. Eine mehr als 2 km lange „Fahne“ aus Salzwasser bewegt sich mit der Grundwasserfließrichtung in Richtung Innerste und hat sie bereits erreicht. Kalihalden belasten somit die Flüsse und das Grundwasser mit schädlichen Salzfrachten.
Darf Salzlauge „einfach so“ im Boden versickern?
Nein, meinen wir, aber bis jetzt ist noch keine Behörde dagegen vorgegangen. Es wird Bestandsschutz geltend gemacht, außerdem sei das „unbeabsichtigte Versickern“ von Salzlauge keine erlaubnispflichtige Benutzung des Grundwassers. Da die Althalde aus dem Verfahren ausgegrenzt wurde, spielte auch die Grundwasserbelastung keine Rolle. Die erforderliche Erlaubnis zur Benutzung des Grundwassers liegt nicht vor, wurde nicht beantragt und könnte in Anbetracht der bestehenden Belastung des Grundwassers auch nicht erteilt werde. Die derzeitige Praxis der Einbringung von Schadstoffen in das Grundwasser muss beendet werden!
In welchem Zustand sind Wasser und Grundwasser aktuell?
Sowohl das Grundwasser in Giesen als auch die Innerste sind in einem schlechten chemischen Zustand.
Der ökologische Zustand der Innerste ist insgesamt unbefriedigend, weil sowohl die Fischfauna als auch die Pflanzen in diese schlechte Qualitätsstufe eingeordnet wurden. Der Zustand der Wirbellosenfauna (Makrozoobenthos) aus Insektenlarven, Kleinkrebsen, Würmern, Schnecken und Muscheln ist dagegen noch gut.
Wieviel Salz wird nach der Wiederinbetriebnahme eingeleitet?
Vor allem in der Anfahrphase des Bergwerks wird deutlich mehr Salzwasser eingeleitet werden als heute, weil die Neuhalde dann noch nicht abgedeckt werden kann. Die Haldenwassermenge soll um bis zu 80% und die Salz-(genauer Chlorid)menge um bis zu 120 % zunehmen. Wir gehen davon aus, dass tatsächlich dauerhaft sehr viel mehr Salzwasser anfallen wird, als vom Antragsteller prognostiziert und beantragt wurde und dass große Teile dieser Mehrmengen auch eingeleitet werden können. Der Ringgraben um die Althalde wurde inzwischen saniert. Er fängt daher mehr Salzlauge auf, die eingeleitet werden muss, als zuvor. Aber es fällt nicht nur mehr Salzwasser an als prognostiziert, die Innerste ist auch in geringerem Maß als angenommen in der Lage, dies Salzwasser aufzunehmen, denn zum Einen wird das durch die Althalde versalzene Grundwasser in den Fluss einsickern, zum Anderen landet das salzbelastete Niederschlagswasser vom Werksgelände ebenfalls dort. Beides erhöht die Salzkonzentration. All diese Faktoren wurden von K+S nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Die Salzkonzentration im Gewässer wird deshalb höher sein als angenommen.
Wie wirken Salze auf das Leben im Wasser?
Salz ist lebenswichtig, zu viel Salz im Körper stört jedoch zahlreiche Funktionen und kann letztendlich zum Tod führen. Lebewesen müssen deshalb die Konzentration von Salzen im Körper möglichst konstant halten und die Salzaufnahme kontrollieren. Für im Süßwasser lebende Organismen ist das eine besondere Herausforderung, denn der Salzgehalt in ihren Zellen ist höher als der des umgebenden Wassers. Sie müssen verhindern, dass Wasser in ihren Körper eindringt, um den durch die unterschiedlichen Konzentrationen verursachten osmotischen Druck auszugleichen. Daher haben sie verschiedene Mechanismen zur Osmo-Regulation entwickelt, die gestört werden, wenn die Salzkonzentration des sie umgebenden Wassers steigt oder stark schwankt. Unsere Fließgewässer sind von Natur aus eher salzarm. Am häufigsten ist darin Natriumchlorid (Kochsalz) zu finden, und zwar mit einer Chlorid-Konzentration von unter 100 mg/Liter. An diese Verhältnisse ist das Leben im Süßwasser angepasst.
Empirische Studien im Auftrag der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) zum Zusammenhang zwischen der Chloridkonzentration und dem guten ökologischen Zustand der Flüsse und Bäche in Deutschland zeigen daher, dass bereits bei einer Chloridkonzentration zwischen 40 und 90 mg/Liter kein guter, sondern nur noch ein mäßiger Zustand der sogenannten biologischen Qualitätskomponenten Fische, Pflanzen, Algen und Wirbellose festgestellt wird. Die Bandbreite ergibt sich daraus, dass das Leben in Mittelgebirgsbächen empfindlicher auf Salzbelastungen reagiert als beispielsweise in Tieflandflüssen wie der Innerste. Die sogenannten Orientierungswerte werden daher gewässertypspezifisch und für die jeweils empfindlichste Qualitätskomponente bestimmt.
Da in Giesen besonders kalium- und magnesiumhaltige Salze für die Düngemittelproduktion abgebaut werden sollen, enthalten die eingeleiteten Abwässer dementsprechend neben Chlorid- auch Kalium- und Magnesiumionen. An diesen menschengemachten Salzcocktail ist das Leben im Wasser nicht angepasst. Im Zusammenwirken sind diese Salze deutlich toxischer als Natriumchlorid allein. Antragsunterlagen und Genehmigung berücksichtigen das nicht.
Wie wirkt sich das Salz auf den Gewässerzustand aus?
Auch ohne Einleitungen liegt die Chloridkonzentration der Innerste bei Giesen bereits über dem in den LAWA Studien ermittelten Schwellenwert von 90 mg/l. Das Salzwasser von der Althalde erhöht sie auf 141 mg/l im Jahresmittel und durch den Neubetrieb sollen bis zu 172 mg/l erreicht werden. Da mehr Salz eingeleitet werden kann als prognostiziert, wird auch die Salzkonzentration im Gewässer höher sein. Gemäß Oberflächengewässerverordnung darf ein Jahresmittelwert von 200 mg/l nicht überschritten werden. Die wasserrechtliche Erlaubnis stellt das jedoch nicht sicher. Sie lässt eine maximale Chloridkonzentration von 300 mg/l in der Anfahrphase zu und schreibt nicht einmal vor, dass der Chlorid-Jahresmittelwert überwacht wird. Dies ist ein Verstoß gegen das im § 27 Wasserhaushaltsgesetz verankerte Verschlechterungsverbot..
Noch deutlich empfindlicher auf Salz reagieren einige Pflanzen der für Fließgewässer typischen flutenden Wasservegetation und das Bachneunauge, das in dem an der Mündung der Innerste in die Leine beginnenden FFH Gebiet „Leineaue zwischen Hannover und Ruthe“ noch zu finden, in der Innerste aber verschwunden ist.
Bereits bei Überschreitung einer Chlorid Konzentration von 50 mg/l im Jahresmittel ist nicht auszuschließen, dass sich ihr Erhaltungszustand weiter verschlechtert. Da dieser Wert, im FFH Gebiet sicher überschritten wird, ist das Vorhaben nicht verträglich mit der Flora Fauna Habitat Richtlinie bzw. den entsprechenden Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes.
Wie reagiert K+S auf diese Vorwürfe?
Die von K+S beauftragten Anwälte und Gutachter versuchen nachzuweisen, dass sich der ökologische Zustand der Innerste nicht verschlechtern wird, nutzen dafür jedoch eine wissenschaftlich nicht haltbare Methode. Sie stellen zudem den Chlorid Orientierungswert der OGewV und die Art seiner Ermittlung infrage. Sollte das gelingen, hätte dies über den konkreten Fall hinausreichende Folgen für die Genehmigung von Salzeinleitungen in andere Flüsse und möglicherweise auch für den Bestand der OGewV Orientierungswerte für andere Stoffe.
Mehr dazu in der Presseinformation des BUND Landesverbandes.
Was tut K+S um die Salzwassermengen zu verringern ?
Es wurde ein trockenes, elektrostatisches Aufbereitungsverfahrens (ESTA) gewählt. In der Produktion fallen keine Abwässer mehr an. Das Salzwasser von den Halden kann teilweise in der Produktion und zur Anfeuchtung der Rückstände vor der Aufhaldung eingesetzt werden. Im Regelbetrieb (ab Betriebsjahr 7) muss daher in Jahren mit normalem Niederschlag weniger Abwasser eingeleitet werden als heute. Sofort nach Ende der Produktion muss die Althalde daher abgedeckt sein, um einen erneuten Anstieg der Haldenwassermengen zu vermeiden.
Die Neuhalde erhält eine Basisabdichtung und wird sukzessive mit der Aufhaldung abgedeckt und anschließend begrünt. Die Althalde bleibt dagegen unverändert und soll erst in mehr als 50 Jahren abgedeckt werden, wenn die jetzt beantragte Produktion wieder beendet ist.
Warum wird die Althalde nicht gleich abgedeckt?
Abdeckung und Wiederinbetriebnahme stehen miteinander im Konflikt: Weil das neue Werk am Fuß der Althalde errichtet wird, würde es durch die derzeit übliche Abdeckung von Kalihalden mit Bauschutt und Erdmaterial überschüttet werden, denn das Abdeckmaterial kann nur mit einem wesentlich flacheren Winkel aufgeschüttet werden als das Salz der Kalihalden. Daher verdoppelt sich die Grundfläche der Halde durch die Abdeckung.
Warum ist die Abdeckung von Kalihalden nur eine Scheinlösung?
Nach Aussage von K+S können Kalihalden, anders als Deponien, nicht mit einem Dichtungssystem aus Vlies und Folie gegen eindringendes Wasser geschützt werden, weil dieses Material nicht in der Lage wäre, den Senkungen des Salzes zu folgen und reißen würde. Daher werden Kalihalden mit meterdicken Schichten aus mineralischen Abfällen und Erdmaterial als Dichtungs- und Begrünungsschicht zugedeckt. Diese Abdeckung ist nicht wasserdicht. Regenwasser dringt weiter bis zum Salzberg vor und löst ihn langsam auf. Übrig bleibt das Abdeckmaterial. Salzwasser sickert auch weiter in den Untergrund der Althalde, denn eine Basisabdichtung lässt sich nicht nachträglich installieren. Daraus ergibt sich die Jahrhundertaufgabe der Überwachung dieser „Ewigkeitslasten.“
- Die Abdeckung muss permanent kontrolliert, vermessen und Schäden durch Ausspülungen und Absackungen müssen sofort beseitigt werden.
- Die salzhaltigen Abwässer müssen aufgefangen und kontrolliert eingeleitet werden.
- Die Einleitungssteuerung muss durch permanente Messung der Salzbelastung und der Durchflussmenge sicherstellen, dass die Grenzwerte im Gewässer stets eingehalten werden.
- Das Grundwasser muss z.B. durch Messbrunnen überwacht und ggf., saniert werden.
Dies alles muss die K+S AG für Jahrhunderte bis zum endgültigen „Wegregnen“ der Halden sicherstellen. Aber wird der Bergbaukonzern so lange existieren wie die Halden, die er hinterlässt?
Gibt es Alternativen zur Aufhaldung?
Statt die Rückstände lose in die Abbauhohlräume zu kippen, können sie mit konzentrierter Salzlauge eingespült und so viel stärker verdichtet werden. Dieses so genannte Spülversatzverfahren wird von K+S andernorts praktiziert, aber für den Standort Giesen abgelehnt. Aber auch mit „trockenem“ Versatz ist deutlich mehr möglich als vorgesehen. 14 Mio. Tonnen Rückstande können mit geringem Mehraufwand in den zusätzlich zu den eigentlichen Abbauhohlräumen entstehenden Infrastrukturhohlräumen untergebracht werden. Die Hohlräume des „alten“ Bergwerks sind dabei noch nicht berücksichtigt. Schließlich ließe sich bei der Flutung des Bergwerks nach Betriebsende Haldenmaterial von einigen Millionen Tonnen in dem für die Flutung genutzten Süßwasser auflösen und einspülen. Von den 26 Millionen t der Neuhalde verbleiben dann nur noch ca. 4 Millionen t, die als Industrie-, Tau- oder Speisesalz verwertet werden können.
Warum wurden diese nicht gewählt?
Alle Alternativen wurden als nicht dem Stand der Technik entsprechend und/oder wirtschaftlich nicht zumutbar verworfen. Die Einsparungen bei den Haldenabdeckungen sowie deren Überwachung und Pflege für die nächsten 1000 Jahre wurden dabei allerdings nicht gegengerechnet. Versatz, also das Verbringen der Rückstände unter Tage, ist nur für die Abbauhohlräume zur Stabilisierung des Bergwerks vorgeschrieben, nicht für die übrigen Hohlräume. Dies wäre jedoch eine sinnvolle Entsorgungsmaßnahme. Salze sind am sichersten im Salzstock aufbewahrt, nicht an der Erdoberfläche wo sie unvermeidbar in Kontakt mit Wasser kommen und großen Schaden anrichten.
Bei der Flutung zieht K+S es vor, Salzlauge aus anderen Werken zu entsorgen, statt die Halden aufzulösen. Der Konzern löst einen Teil seiner Entsorgungsprobleme an der Werra in Niedersachsen. Ein Bergwerk bei Sehnde wurde bereits mit Salzlauge aus Hessen gefüllt, jetzt sollen „Niedersachsen“ bei Wathlingen und „Sigmundshall“ bei Wunstorf geflutet werden. Für die Halden dieser Bergwerke ist dann unter Tage kein Platz mehr. Zugunsten einer kurzfristigen Problemlösung werden Lasten auf zukünftige Generationen abgewälzt.
Ein weiterer wichtiger Grund, warum Lösungen für die Umweltproblematik nicht gesucht wurden, ist, dass diese bewusst nicht richtig und vollständig beschrieben wurde: Die Althalde und die durch sie verursachte Grundwasserkontamination waren nicht Teil des Verfahrens, sondern wurden als „Vorbelastung“ ausgeblendet. Der Schutz des Grundwassers vor dem Salz von der Althalde und der Innerste vor dem Salz aus dem Grundwasser spielte daher im Verfahren keine Rolle. Im Gegenteil setzt der Planfeststellungsbeschluss darauf, dass noch mindestens 50 Jahre lang weiter Salz im Boden versickern darf. Erst nach Ende der Produktion ist mit der Abdeckung eine Begrenzung, nicht aber der Stopp der Versalzung geplant. Alle Fragen des Rückstandsmanagements (Versatz, Verwertung, Beseitigung) wurden nur für die neue Produktion untersucht, hätten aber sinnvollerweise für Alt- und Neuhalde gemeinsam gelöst werden sollen.
Welche weiteren Umweltwirkungen hat die Wiederinbetriebnahme?
Die Wohngebiete von Ahrbergen werden durch den Lärm der Werksbahn, die in geringem Abstand an den Häusern vorbeirollt, sowie die ungefiltert aus dem Schacht Fürstenhall strömende Abluft aus dem Bergwerk belastet. Der Boden wird großflächig versiegelt: Allein unter der Neuhalde sollen 50 Hektar fruchtbarer Bördeboden verschwinden, insgesamt werden 110 Hektar Fläche benötigt. Dadurch geht auch der Lebensraum geschützter Arten wie Feldlerche und Feldhamster verloren.
Fazit
- Es wird mehr Salzlauge anfallen und eingeleitet werden als beantragt. Die Konzentration von Salzen im Gewässer wird dementsprechend höher sein als prognostiziert.
- Die wasserrechtliche Erlaubnis stellt nicht sicher, dass der Orientierungswert der Oberflächengewässerverordnung für die Chloridkonzentration von 200 mg/l im Jahresmittel eingehalten wird.
- Wegen dieses Verstoßes gegen das Verschlechterungsverbot des § 27 Wasserhaushaltsgesetz und der Unverträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebietes „Leineaue zwischen Hannover und Ruthe“ für den Lebensraumtyp „Fließgewässer mit flutender Wasservegetation“ und seine charakteristische Art Bachneunauge ist die Einleitungserlaubnis rechtswidrig .
- Die Kontamination des Grundwassers geschieht ohne Erlaubnis.
- Die Neuhalde versiegelt wertvollen Ackerboden und vernichtet Lebensräume.
- Die Abdeckung der Halden stoppt die Gewässerversalzung nicht, sondern verlangsamt sie nur und verwandelt die Halden so erst recht in „Ewigkeitslasten“, die über Jahrtausende überwacht und ausgebessert werden müssen.
- Möglichkeiten, die Rückstände wieder nach unter Tage zu bringen oder zu verwerten, werden nicht ausgeschöpft.
- Behörden und die K+S AG stehen nicht zu ihrer Verantwortung für das Grundwasser und die Althalde, sondern grenzen dies Problem aus dem Verfahren aus.
- Die Bewohner insbesondere von Giesen und Ahrbergen werden zusätzlichen Belastungen durch Verkehrslärm und Emissionen ausgesetzt.
Was fordert der BUND?
Die Lebensgrundlagen Wasser und Boden müssen für die nächsten Generationen erhalten bleiben. Unser Wasser darf nicht zusätzlich durch Salze unbrauchbar gemacht werden. Auch unser fruchtbarer Bördeboden darf nicht auf ewig unter einem Salzberg verschwinden.
Deshalb fordern wir:
- Begrenzung der Salzeinleitung in die Innerste auf ein Maß, das auch für salzempfindliche Arten verträglich ist
- Stopp der Grundwasserkontamination durch die Althalde
- vollständiger Versatz und Verwertung der Rückstände, kein Verbleib von Halden als Ewigkeitslasten,
- Verringerung der Schadstoff- und Schallemissionen.
Wie handelt der BUND?
Wir haben uns bereits umfangreich mit Stellungnahmen am Planfeststellungsverfahren beteiligt, da dieses abgeschlossen ist, können wir unsere Ziele nur noch vor Gericht erreichen. Wir wenden uns dabei nicht gegen die Kaliproduktion an sich, sondern wollen, dass sie umweltfreundlich geschieht. Das gute ökologische Potential der Innerste muss trotz Salzeinleitung erreicht werden können.
Der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. hat beim Verwaltungsgericht Hannover Klage sowohl gegen den Planfeststellungsbeschluss als auch gegen die Erlaubnis zur Einleitung salzhaltiger Abwässer in die Innerste erhoben, diese in zwei umfangreichen Klageschriften und einem weiteren Schriftsatz begründet und dazu verschiedene Gutachter herangezogen. Die BUND Kreisgruppe Hildesheim und die Bürgerinitiative GiesenSchacht unterstützen diese zweifache Klage inhaltlich in sehr vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit und auch finanziell.
Helfen Sie uns dabei durch ihre Spende an:
BUND Landesverband Niedersachsen Kreisgruppe Hildesheim,
IBAN: DE86 2595 0130 0050 7221 89 bei der Sparkasse Hildesheim Goslar Peine.
Verwendungszweck: Spende SALZ