Radtour entlang der B1 verdeutlicht Dimension und Wirkungen der geplanten Ortsumgehungen von Hildesheim und Burgstemmen.

„Dass die Straße so gewaltig werden soll, habe ich nicht gewusst!“ So oder ähnlich äußerten sich Teilnehmer einer Radtour zu den um Himmelsthür und Burgstemmen geplanten Ortsumgehungen der B1, nachdem ihnen vor Ort der mögliche Trassenverlauf erläutert worden war. Das übernahmen auf dieser Gemeinschaftsveranstaltung von BUND, ADFC und Ornithologischem Verein zu Hildesheim der BUND Vorsitzende Matthias Köhler sowie Dagmar Bartsch und Dr. Andreas Kühneck von der Bürgerinitiative gegen eine B1 Ortsumgehung für Burgstemmen und Mahlerten e.V..
Einen ersten Infostop legten die knapp 20 Radler*innen im Naturschutzgebiet „Lange Dreisch und Osterberg“ ein. Dort würde die Nordumgehung als vierspurige Straße unmittelbar am Ortsrand von Himmelsthür entlanggeführt, dann die Innerste mit einem mächtigen Brückenbauwerk überqueren und an der B6 Kreuzung enden. Dies allerdings nur, wenn die aktuell im Bundesverkehrswegeplan hinterlegten Pläne der Ortsumgehung (OU) Himmelsthür Realität werden.
Seit mehr als 50 Jahren wird über dieses Projekt bereits geredet. Bereits 2008 hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig erklärt. Dennoch steht die OU Himmelsthür, wie andere Ortsumgehungen der B1, weiterhin im Bundesverkehrswegeplan.
Vor 2 Jahren erklärten dann die niedersächsische Straßenbauverwaltung und die Stadt Hildesheim, dass sie die Planungen wieder aufnehmen wollen. Mit dem Klima- und Naturschutz ist das nicht zu vereinbaren, zeigten sich die Radtourteilnehmenden überzeugt. Beides muss bei der laufenden Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans ein stärkeres Gewicht bekommen, forderte der BUND-Vorsitzende. „Jedem, der sich den Verlauf der Trasse vor Ort vor Augen führt wird, wird klar werden, dass die Naturzerstörung einerseits und der mögliche Zeitgewinn und die erhoffte Entlastungswirkung andererseits in keinem vernünftigen Verhältnis stehen.“
Das trifft nach Überzeugung der Bürgerinitiative (BI) gegen eine B1 Ortsumgehung Burgstemmen und Mahlerten auch auf die dort geplante Südumfahrung der beiden Ortschaften zu. Die weite Feldflur zwischen Hildesheimer Wald und Mahlerten würde zerschnitten, der Ort von außen verlärmt und der Andrea Hilse Park bei Burgstemmen durch die Trasse halbiert und damit sein Erholungswert zerstört. Dort legten die Radler an einem idyllischen Teich eine Rast ein und lauschten dabei dem Konzert der Frösche, bevor es wieder zurück nach Hildesheim ging. Nicht ohne den Vorsatz, sich nun verstärkt dafür einzusetzen, dass die Natur erhalten bleibt und die kostspieligen Ausbaupläne gestoppt werden.
Wer wissen will wo die Nordumgehung Hildesheim verlaufen könnte findet diese Information im Projektinformationssystem (PRINS) zum Bundesverkehrswegeplan 2030 https://www.bvwp-projekte.de/strasse/B1-G21-NI-T5-NI/B1-G21-NI-T5-NI.html
Dort kann man auch eine großformatige Karte des möglichen Verlaufs der Nordumgehung herunterladen.
Der Link zu ähnlichen Informationen zur Ortsumgehung Burgstemmen ist: https://www.bvwp-projekte.de/strasse/B1-G21-NI-T2-NI/B1-G21-NI-T2-NI.html
BUND fordert Stopp der Planungen für die Nordumgehung Himmelsthür

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP), das wichtigste Verkehrsplanungsinstrument des Bundes, wird endlich überprüft. Das Verkehrsministerium hat kürzlich einen Dialogprozess mit den Verbänden der Zivilgesellschaft begonnen, an dem auch der BUND beteiligt ist. Darin soll ein neuer Infrastrukturkonsens gefunden werden, der schlussendlich zur Ablösung des "BVWP 2030" durch einen "Mobilitätsplan 2040" führen soll. (Mehr zum Dialogprozess gibt es HIER.)
Der aktuelle BVWP ist nicht mehr zeitgemäß. Er wurde vor dem Pariser Klimaschutzabkommen erstellt und widerspricht den Beschlüssen der Bundesregierung zum Klimaschutz, wonach die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors bis 2030 halbiert werden sollen. Alle geplanten Verkehrsprojekte müssen daher auf ihre Folgen für Klima und Natur geprüft und neu priorisiert werden. (Mehr dazu gibt es HIER.) Dies gilt auch für die Nordumgehung von Hildesheim, die um Himmelsthür herum durch das FFH-Gebiet „Haseder Busch, Giesener Teiche, Gallberg, Finkenberg“ geführt werden soll.
Obwohl die bisherige Planung unvereinbar mit den Zielen des europäischen und nationalen Naturschutzes ist und das Planfeststellungsverfahren deshalb gerichtlich gestoppt wurde, sollen die Planungen 2023 wieder aufgenommen werden. Das ist aus BUND-Sicht unverantwortlich, denn der Bau der vierspurigen Umgehungsstraße würde zu einer irreversiblen Schädigung des überregional einzigartigen Natur- und Erholungsraumes nördlich von Himmelsthür führen. Die Aufnahme dieses Natura 2000-Schutzgebiets in das „Nationale Naturerbe Deutschlands" und der Nachweis von 2.000 Arten unterstreichen dessen herausragende Bedeutung für die Bewahrung der Biodiversität.

Der BUND fordert, die Planungen für dies klimaschädliche und naturzerstörende Straßenneubauprojekt zu stoppen und Geld und Planungskapazitäten stattdessen in den Erhalt bestehender Verkehrsinfrastruktur und die Verlagerung des Güterverkehrs auf klimafreundliche Verkehrsmittel zu investieren. Diesen Kurswechsel sollte die Stadt sofort beim Gewerbegebiet Nord vollziehen. Logistiker, die sich bereits dort angesiedelt haben, bewegen ihre Güter derzeit mangels Alternative allein über die Straße, vor allem die A7. Dabei wurde das insgesamt 250 ha große Gebiet von Anfang an als trimodales Gewerbegebiet mit Anschlüssen sowohl an die Bahn als auch die Wasserstraße beworben. Die Planungen für das ebenfalls von Anfang an vorgesehene Güterverkehrszentrum und den Anschluss an die Bahn kommen jedoch – im Gegensatz zu den Planungen für einen dritten Autobahnanschluss, die derzeit mit Hochdruck vorangetrieben werden – nicht voran. Nun soll mit der Nordumgehung ein weiteres Straßenbauneuprojekt angeschoben werden. Dies lehnt der BUND ab, weil es mit dem Klimaschutz und dem Schutz der biologischen Vielfalt nicht vereinbar ist.
Nordumgehung
Mindestens seit den 1980er Jahren besteht der Plan, die B1 nördlich um Hildesheim herumzuführen, um die Innenstadt, speziell die Kaiserstraße, vom Verkehr zu entlasten. Geplant wurde eine vierspurige Umgehungsstraße abzweigend von der B1 im Westen, um den Stadtteil Himmelstür herum durch den damaligen Standortübungsplatz, Überquerung der Innerste und Anschluss an die Mastbergstraße im Bereich des Gutes Steuerwald.
Der Standortübungsplatz wurde 2007 endgültig aufgegeben. Seine Fläche wurde Bestandteil des europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000, unter Naturschutz gestellt und darf von den Hildesheimern seitdem zur Naherholung betreten werden. Die Trasse der Nordumgehung hätte den Stadtteil Himmelstür von diesem, bei Spaziergängern inzwischen sehr beliebten, Gebiet abgetrennt.
Auf die Klage des BUND hin befand das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Jahr 2008, dass die Ortsumgehung europarechtlich streng geschützte Lebensraumtypen erheblich beeinträchtigen wird, während auf der anderen Seite keine durchgreifende Entlastung der B1 in der Innenstadt zu erwarten sei. Deshalb wurde der Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt, jedoch nicht aufgehoben. Es besteht also die Möglichkeit, für eine veränderte Trassenführung doch noch einen rechtswirksamen Planfeststellungsbeschluss zu erhalten. Um Konflikte mit den europarechtlich geschützten Gebietsteilen möglichst zu vermeiden, empfiehlt die EU-Kommission in einer Stellungnahme eine Trassenführung unmittelbar am Ortsrand entlang.
Im Juni 2022 haben die niedersächsische Straßenbauverwaltung und die Stadt Hildesheim erklärt, dass sie die Planungen für die Nordumgehung im Jahr 2023 wieder aufnehmen wollen. Dann wird sich zeigen, welche Trassenführung den neuen Planungen zugrunde gelegt wird.